Ausgabe 1/2012 - 18.04.2012

Recht

„Ein sinnvolles Maß an Datenschutz“

Dieter Weng, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbands (DDV), Wiesbaden, skizziert im Interview, wie sich vor allem die geplante EU-Datenschutzverordnung auf das hiesige Dialogmarketing auswirken könnte.

Dieter Weng

„Die Zustimmung für etwas geben, das ich noch nicht kenne? Sperrlisten anlegen, die nicht existieren dürfen?“ — laut Dieter Weng ist die angestrebte EU-Datenschutzverordnung nicht praktikabel

Welche datenschutzrechtliche Bewegung registrieren Sie in Europa?

Dieter Weng: Der Vorschlag der EU-Kommissarin Viviane Reding hat die Diskussion entfacht, ob und in welcher Weise der national gültige Datenschutz in allen EU-Staaten weiter harmonisiert werden soll. Jederzeit und überall verfügbare digitale Medien mit ihren globalen Datenströmen legen den Gedanken an eine länderübergreifende Datenschutzlösung nahe. Viele EU-Staaten stimmen einer Harmonisierung daher gedanklich zu — sie sei im Sinne der europäischen Staaten, der Bürger und der Wirtschaft, so die Begründung.

Sie sind vom Gegenteil überzeugt. Welches sind die Risiken des Vereinheitlichungswillens?

Weng: Das Risiko liegt, insbesondere für Deutschland mit seinem vergleichbar hohen Datenschutzniveau, in den geplanten Bestimmungen des Kommissionsentwurfs: Die Verordnung atmet den populären Geist eines „Meine Daten gehören mir“. Unterm Strich basiert der Entwurf auf der Annahme, dass ein Konsument Übermenschliches leisten könne, nämlich darüber zu entscheiden vermag, was ihn künftig interessieren wird. Doch wie kann ich eine Zustimmung für etwas geben, das ich jetzt weder schon kenne noch derzeit brauche? — Gerade mittelständische und kleine Unternehmen haben viel Geld in eine aktuelle Datenbank investiert, ein wichtiger Bestandteil des Firmenkapitals neben Werkstatt, Fabrikgebäude oder Fuhrpark. Wie sollen diese Firmen der Verbraucherforderung etwa nach einem „Recht auf Vergessen“ — einer der verunglückten Punkte innerhalb des Entwurfs — nachkommen können? Unternehmen müssten beispielsweise Sperrlisten anlegen, ohne zu wissen, ob diese Listen überhaupt existieren dürfen.

Wie praktikabel ist der Vorschlag aus Brüssel?

Weng: Der jetzige Vorschlag würde zu vielerlei Rechtsunsicherheiten und besonders für kleine und mittelständische Firmen zu einem nicht zu bewältigenden praktischen Aufwand führen. Die geforderte Datenportabilität oder das „Recht auf Vergessen“ orientieren sich an der Social-Media-Welt. Die jetzt geplante Verordnung geht jedoch weit darüber hinaus — online wie offline. Mit den praktischen Belangen der Wirtschaft hat dies nichts zu tun.

Welche Auswirkungen werden die europäische Datenschutzverordnung in den nächsten Jahren und das Ende der Übergangsfristen beim Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) im Herbst 2012 auf die Wirtschaft haben?

Weng: Was die deutsche Datenschutznovelle II aus dem Jahr 2009 anbetrifft, so dürfen Daten, die vor dem 1. September 2009 erhoben wurden, noch nach den vorher geltenden Datenschutzbestimmungen weiter verarbeitet werden. Dies hat in der Praxis keine große Bedeutung, denn die Datenbestände erneuern sich regelmäßig. Die meisten Unternehmen haben die Übergangsfrist deshalb kaum genutzt und schon sehr bald nach dem Inkrafttreten der Datenschutznovelle II auf die neuen Rechtsgrundlagen umgestellt. Anders verhält es sich bei der europäischen Datenschutzverordnung. Würde sie erst einmal in Brüssel beschlossen, stellte sie unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Staaten dar. Das BDSG, wie wir es derzeit kennen und anwenden, wäre damit überholt.

Wo und wie sollte die werbungtreibende Wirtschaft mit zielgerichtetem Lobbying ansetzen?

Weng: Die wichtigste Phase für das Einwirken auf den Kommissionsentwurf läuft zweifellos während der sogenannten ersten Lesung im Europa-Parlament — und zwar auf nationaler und europäischer Ebene. Der DDV hat mit anderen Verbänden eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet. Den potenziell betroffenen Unternehmen haben wir beispielsweise Textvorschläge an die Hand gegeben, mit denen sie sich in der jetzigen Phase an ihre Bundestags- und Europa-Abgeordneten wenden können.

Wie sehr belastet die geplante Verordnung die Wirtschaft?

Weng: Keinesfalls wird sie Einsparungen von 2,3 Milliarden Euro mit sich bringen, wie Kommissarin Reding nicht müde wird zu behaupten. In deren Rechnung sind nicht die Kosten erfasst, die auf die Wirtschaft zukommen, wenn die Verordnung eins zu eins umgesetzt wird. Diese Überlegungen müssen in alle politischen Instanzen hineingetragen werden, um das Bewusstsein zu schärfen, wie die Verordnung Geschäftsmodelle verändert und vor allem bedroht.

Welches sind Ihre größten Hoffnungen und Befürchtungen?

Weng: Meine größte Sorge ist derzeit, dass viele Betroffene das Ausmaß der geplanten Datenschutzverordnung noch nicht hinreichend erkannt haben: Der Bundestag nicht, der Rechte in einem zentralen Bereich ohne Diskussion und Kontrolle nach Brüssel abgeben würde. Viele Unternehmen noch nicht, für die die Verordnung teilweise noch weit weg zu sein scheint. Ich hoffe auf eine ausgewogene, nicht-ideologische Diskussion, die auf Fakten beruht. Am Ende geht es darum, die Voraussetzungen für den Wohlstand der Bürger in der EU-Zone zu gewährleisten — indem man die Funktionsweisen der Marktwirtschaft akzeptiert. Ich plädiere für ein sinnvolles Maß an Datenschutz. Tatsächlich müssen wir es schaffen, die Ängste der Verbraucher mit Hilfe von Regelwerken zu minimieren und gleichzeitig Möglichkeiten auftun, mit denen die Wirtschaft ihre Chancen auch ausloten kann.

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